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Rastende Reisende
Vogelzug. Im August 2005 machten 68 und 160 Weißstörche bei Wilhelminenthal Station.
Von Franz Menzel Sächsische Zeitung vom 28./29. Januar 2006 (ohne Fotos)
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Adulter Weißstorch bei der Nahrungssuche (1); Rastende Storchfamilie bei Klitten (2); Fotos: J. Kasper
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Die östliche Oberlausitz und der Südosten Brandenburgs werden alljährlich im Spätsommer von den wegziehenden Weißstörchen Mittel- und Nordwestdeutschlands überflogen, die ihren Zugweg in die
afrikanische Winterherberge über Südosteuropa, den Bosporus, Kleinasien, Sinai und Ägypten nehmen. Auch Deutschlands bekannteste Störchin "Prinzesschen" fliegt diese Route.
Nur selten bei uns Gast Meistens erfolgen diese Überflüge in großer Höhe und bleiben unbemerkt. Nur selten landen solche Zugtrupps bei uns und legen eine Pause ein. Noch seltener kommt es vor, dass
Ornithologen oder Naturfreunde Zeuge solcher Rasten werden oder rechtzeitig benachrichtigt werden, um die Weißstörche beobachten zu können. Das traf im August 2005 gleich zweimal zu. Am 16. August landeten auf
frisch gemähten Wiesen bei Wilhelminenthal 68 Weißstörche und gingen dort auf Nahrungssuche. Als es Abend wurde, flogen sie auf verschiedene Gebäude und Bäume und entfernten sich zum Teil bis nach Kodersdorf,
um dort zu übernachten. Am Morgen des 17. August versammelten sie sich erneut auf den Wiesen bei Wilhelminenthal, um dann im Verlaufe des Vormittags ihren Zug nach Südosten fortzusetzen. Am 21. August landeten bei
Ödernitz 160 Weißstörche, die am Abend in und um Ödernitz Ruheplätze auf Dächern, Bäumen und Masten aufsuchten. Viele Einwohner beobachteten das ungewöhnliche Ereignis. Am frühen Morgen des Folgetages
versammelten sich alle Störche auf der großen Wiese am südlichen Ortsrand, wo sie der Nahrungssuche nachgingen. Als gegen 8.30 Uhr in der Feldflur südlich der B 115 ein Traktor mit Feldarbeiten begann, flogen
nach und nach alle Störche dorthin, um auf dem frisch bearbeiteten Acker nach Nahrung zu suchen. Allmählich erwärmte sich die Luft, die gegen 9.30 Uhr zu flimmern begann und Thermik anzeigte. Die meisten Störche
hatten inzwischen die Nahrungssuche beendet, ruhten oder pflegten ihr Gefieder. Um 9.45 Uhr hob ein Altstorch ab. Ihm folgten sogleich weitere in seiner Nähe, und binnen weniger Augenblicke befanden sich alle 160
in der Feldflur weit verstreuten Weißstörche in der Luft. Im Ruderflug versuchten sie zunächst an Höhe zu gewinnen und eine Thermik zu erreichen. Sie schraubten sich höher und höher und verschwanden
allmählich in Richtung Südosten.
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Ring weist Herkunft nach Während der Weißstorch- trupp am 16./17. August fast zu 100 Prozent aus Jungstörchen bestand, waren es am 21./22. August etwa 80 Prozent Jung- und 20
Prozent Altstörche. Ein Teil der Störche trug Ringe. Es gelang in beiden Trupps ins- gesamt 18 Ringträger anhand
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ihrer Ringnummern zu identifizieren. Nachdem nun die Beringungsdaten von der Beringungszentrale Hiddensee vorliegen, kann über die Herkunft der Störche berichtet werden. Sie entstammten zumeist
rechtselbischen Dörfern Brandenburgs, Niedersachsens und Mecklenburg-Vorpommerns, der storchenreichen Elbaue etwa zwischen Havelberg und Boizenburg. In beiden Trupps befand sich mindestens ein Jungstorch aus
Rühstädt, dem storchenreichsten Ort Deutschlands. Einzelne Störche stammten aus dem Hagenower Land, von der Löcknitz, aus der Prignitz und dem Havelland.
Kern kam aus der Elbaue Der Kern der Zugtrupps bestand allerdings aus Vögeln der Elbaue, denen sich auf ihrem südostwärts gerichteten Wegzug weitere Weißstörche angeschlossen hatten. Bei
ihrer Rast bei Wilhelminenthal und Odernitz hatten sie inzwischen Distanzen zu ihren Brutorten von etwa 250 bis 370 Kilometern zurückgelegt. Ob sie das in einem "Ritt" taten, kann nicht gesagt werden,
läge aber im Bereich des Möglichen. Sie werden im Raum Görlitz die Neiße überflogen haben und in Polen parallel zum Riesengebirge weiter südostwärts vorangekommen sein. Als Segelflieger benötigen sie gute
Thermik, um auch Gebirge, wie die Beskiden und die Hohe Tatra, überqueren zu können. Sie werden sich mit weiteren ziehenden Weißstörchen vereinigt und als Teil der nach Tausenden zählenden Flüge das östliche
Mittelmeer an seiner schmalsten Stelle, dem Bosporus, überquert haben.
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